Direkt zum Inhalt

Warenkorb

  • Adrian Shaughnessy, Tony Brook

    Kwadraat-Bladen A Series of Graphic Experiments 1955—74

  • 51N4E (Hg.)

    Reasons for Walling a House

  • Ute Frank (Hg.)

    Eklat. Entwerfen und Konstruieren in Lehre, Anwendung und…

  • Felix Denk, Sven von Thun

    Der Klang der Familie. Berlin, Techno und die Wende

  • Walter Benjamin

    The "Berlin Chronicle" Notices

  • Gerald Raunig

    Fabriken des Wissens. Streifen und Glätten 1

  • Jane Bennett

    Vibrant Matter. A Political Ecology of Things

  • Christiane Rösinger

    Liebe wird oft überbewertet. Ein Sachbuch

  • David Harvey

    Die urbanen Wurzeln der Finanzkrise

  • Jeffrey T. Schnapp, Adam Michaels

    The Electric Information Age Book

  • Christian Naujoks

    True Life / In Flames CD/LP

  • Winy Maas

    The Vertical Village. Individual, Informal, Intense

  • Andrew Shea

    Designing for Social Change

  • Ian Bogost

    How to Do Things with Videogames

  • Deborah Schneiderman

    Inside Prefab. The Ready-Made Interior

  • Beatriz Preciado

    Pornotopia. Architektur, Sexualität und Multimedia im…

  • Marc Angélil, Rainer Hehl (Hg.)

    Building Brazil!

  • Klanten, Ehmann, Sinofzik (Hg.)

    Introducing. Visual Identities for Small Businesses

  • Dietmar Dath, Barbara Kirchner

    Der Implex. Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee

  • Eva Grubinger, Jörg Heiser (Hg.)

    Sculpture Unlimited

  • Montreal CCA (Hg.)

    Imperfect Health. The Medicalization of Architecture

  • Jun Igarashi

    Construction of a State

  • Jérôme Knebusch

    Notizen zu Berlin

  • Ryan McGinley

    You and I

  • Magnus Ericson, Ramia Mazé (Hg.)

    Design Act. Socially and Politically Engaged Design Today

  • Nigel Coates

    Narrative Architecture

  • Lois Weinthal

    Toward a New Interior

  • Daniel Miller

    Das wilde Netzwerk. Ein ethnologischer Blick auf Facebook

  • Mark Borthwick

    Light up Playbutton

  • William E. Jones

    Halsted Plays Himself

  • Hans Ulrich Obrist, Kazuyo Sejima

    SANAA. The Conversation Series 26

  • Helen Armstrong, Zvezdana Stojmirovic

    Participate. Designing with User-Generated Content

  • Aaron Levy, William Menking

    Four Conversations on the Architecture of Discourse

  • 2G 60

    Lacaton & Vassal. Recent Work

  • Ilka Ruby, Andreas Ruby

    Lacaton & Vassal (2G Books)

  • Max Risselada (Hg.)

    Alison & Peter Smithson. A Critical Anthology

  • Gertrud Lehnert (Hg.)

    Räume der Mode

  • Miriam Bratu Hansen

    Cinema and Experience

  • ETH Studio Basel (Hg.)

    Belgrade. Formal/Informal

  • Michael Biggs, Henrik Karlsson

    Routledge Companion to Research in the Arts

  • Chris Dercon (Hg.)

    Carlo Mollino. Maniera Moderna

  • Walter Benjamin

    Berlin Childhood circa 1900

  • Lida Hujic

    The First to Know. How Hipsters and Mavericks Shape the…

  • Archphoto 2.0

    Radical City 01

  • V. Smith, M. Taussig, I. Garcia (Hg.)

    Juan Downey. The Invisible Architect

  • Arbeitsgruppe Kunst und Politik (Hg.)

    Kunst Spektakel Revolution Nr. 2

  • Nicholas Mirzoeff

    The Right to Look. A Counterhistory of Visuality

  • John McHale

    The Expendable Reader. Articles on Art, Architecture,…

  • Juan Bonet, Sean Kissane (Hg.)

    Vertical Thoughts. Morton Feldman and the Visual Arts

  • Craig Buckley, Mark Wasiuta

    Dan Graham's New Jersey

  • Differences. A Journal of Feminist…

    The Sense of Sound

  • Annette Wehrmann

    Luftschlangentexte

  • Craig Buckley, Pollyanna Rhee

    Architects' Journeys. Building, Traveling, Thinking

  • Hillel Schwartz

    Making Noise. From Babel to the Big Bang and Beyond

  • Eva Moser

    Otl Aicher. Gestalter

  • Elias Redstone (Hg.)

    Archzines

  • Beate Lendt

    Der Traum vom Baumhaus. Das Ökohausprojekt von Frei Otto in…

  • Sean Stewart (Hg.)

    On the Ground. An Illustrated Anecdotal History of the…

  • Artur Zmijewski, Joanna Warsza (Hg.)

    Forget Fear. 7. Berlin Biennale (Reader Dt. & Engl.)

  • Marit Paasche, Synne Bull (Hg.)

    Urban Images. Unruly Desires in Film and Architecture

  • James Langdon

    Pugin’s Contrasts Rotated

  • A+T 37

    Strategy Space. Landscape, Urbanism, Strategies

  • Markus Miessen, Andrea Phillips (Hg.)

    Caring Culture. Art, Architecture and the Politics of Health

  • Benjamin Sommerhalder

    Ghost Knigi

  • Jose Pierre (Hg.)

    Investigating Sex. Surrealist Discussions

  • Museum Ludwig (Hg.)

    Cosima von Bonin. The Lazy Susan Series

  • Francois Dallegret

    God & Co. Beyond the Bubble

  • Brandon LaBelle, Claudia Martinho (Hg.)

    Site of Sound. Of Architecture and the Ear Vol 2

  • El Croquis 157

    Studio Mumbai 2003-2011

  • Katja Blomberg

    Distinct Ambiguity. Graft

  • Metropolar (Hg.)

    Und der Zukunft zuge­wandt. Pots­dam und der gebaute…

  • Ulrike Steglich

    Universum Ackerstrasse. Berliner Geschichten

  • Claire Colomb

    Staging the New Berlin

  • Tone Hansen (Hg.)

    (Re)Staging the Art Museum

  • Terry Richardson

    Mom/Dad

  • Rosa Ferré

    Red Cavalry: Creation and Power in Soviet Russia Between…

  • Sevgi Ortac

    The Monument Upside Down. The City Walls of Istanbul

  • Sven-Olov Wallenstein


    Nihilism, Art, Technology


  • Frederik Frede (Hg.)

    Freunde von Freunden. Berlin

  • Marcos L. Rosa (Hg.)

    Microplanning. Urban Creative Practices. Sao Paulo

  • Charles Fourier

    The Hierarchies of Cuckoldry and Bankruptcy

  • Martha Wilson (Hg.)

    Martha Wilson Sourcebook

  • Judith Halberstam

    The Queer Art of Failure

  • Grant H. Kester

    The One and the Many. Contemporary Collaborative Art in a…

  • Roman Hillmann

    Die erste Nachkriegsmoderne

  • Laura Oldfield Ford

    Savage Messiah

  • L. Cavalcanti , F. Rambert (Hg.)

    Roberto Burle Marx. The Modernity of Landscape

  • Oda Pälmke (Hg.)

    Ganz gut – Quite Good Houses

  • Adolf Loos

    Hummer unter der Bettdecke

  • Jennifer Bass, Pat Kirkham

    Saul Bass. A Life in Film & Design

  • Clog 1

    BIG Bjarke Ingels Group

  • Mårten Spångberg

    Spangbergianism

  • Ryan McGinness

    To Do List Calendar 2012

  • Judith F. Rodenbeck

    Radical Prototypes. Allan Kaprow and the Invention of…

  • Hal Foster

    The First Pop Age

  • Kit White

    101 Things to Learn in Art School

  • Peter Pfrunder (Hg.)

    Schweizer Fotobücher 1927 bis heute. Eine andere Geschichte…

  • N. Brenner, P. Marcuse, M. Mayer (Hg.)

    Cities for People, Not for Profit. Critical Urban Theory…

Die Alarmbereiten

Sind wir die Helden in einem Katastrophenfilm? In sieben Prosastücken erzählt Kathrin Röggla von der Bedrohung und der Magie einer Welt in Alarmbereitschaft.
Brennende Wälder, fliehende Tiere, Panikeinkäufe. Experten, Schaulustige und Beteiligte stieren auf die Katastrophe. Und fragen sich: "hat man jetzt überlebt?". Entwarnung wird nicht gegeben. Eine Welt im Ausnahmezustand: Finanzkrise, Klimakatastrophe, Entführungsfälle- das Leben wird zum Worst-Case-Szenario. Und dadurch dramatisch. Eine gespenstische Hetzjagd. Oder sind diese Panikszenen eine große Fiktion? Kennen wir diese bedrohlichen Sicherheitslücken, spektakulären Rettungsaktionen und exklusiven Berichterstattungen nicht aus den Filmen des Hollywood-Kinos? Sind wir die Helden in einem Katastrophenfilm? Kathrin Röggla spielt diese Katastrophen-Szenen durch und entlarvt ihre Dramaturgie. In acht Prosastücken erzählt sie von der Bedrohung und der Magie einer Welt in Alarmbereitschaft. Schlau und gewitzt führt sie uns die trügerischen und verführerischen Geschichten unserer panischen Gegenwart vor Augen.
Mehr Magie war nie
Thomas Bernhard im Ohr, Empörung im Herzen: In ihrem neuen Erzählungsband erweist sich die österreichische Schriftstellerin Kathrin Röggla als hochmoralische und politische Autorin. Von Nicole Henneberg
Im Internet, dieser Mischung aus gigantischer Müllhalde und allwissendem Archiv, findet sich eine schöne Geschichte zu der alten Volkssage: Wer neugierig den Kopf aus dem Fenster streckt, wenn der wild johlende Gespensterzug vorbeistürmt, dessen Schädel schwillt von dem Getöse an und steckt fest – das ist das Lebensgefühl der melancholischen, ratlosen Figuren in Kathrin Rögglas neuem Erzählungsband „die alarmbereiten“. Sie zerlegt das unaufhörliche Krisen- und Katastrophengerede der Zeitungen, Fernsehkommentare und Talkshows in seine unschuldig wirkenden Einzelteile und fügt sie mit bösem Witz zu einer neuen, künstlichen Sprache zusammen.
So temperamentvolle, wütend reflektierende Monologe, die sich lustvoll und hemmungslos auf die gegenwärtige Sprache einlassen, hat man lange nicht gelesen, vielleicht gar seit Thomas Bernhard und der „Wiener Gruppe“ nicht, mit deren Texten die Österreicherin Kathrin Röggla aufgewachsen ist. Ihre Sätze umschwirren den jeweiligen Gegenstand und schrauben sich, in Wiederholungen, Einschüben und Steigerungen, immer tiefer in die Geschichten von Bankern, Journalisten und Krisenmanagern hinein. Wie Bernhard ist Kathrin Röggla eine Übertreibungskünstlerin, die durch listige Entstellung und feine Akzentverschiebungen die Wirklichkeit erst kenntlich macht: Die Fehler im System werden sichtbar und die kleinen, schmutzigen Geheimnisse, die das Ganze im Inneren zusammenhalten. Denn seine stärkste politische Wirkung entfaltet das anonyme Gemurmel, das uns täglich umgibt, auf der Gefühlsebene, zu der Film- und Fernsehbilder das optische Raster liefern: Auch davon handeln diese Geschichten. „uns umgibt mehr magie als im mittelalter“, schimpft die Erzählerin, denn unser Erfahrungshorizont sei zusammengeschrumpft, „sozusagen auf einen punkt zusammengeschrumpft, der längst verlorengegangen sei im übergroßen horizont der medien“.
Die Geschichten handeln von tragischen und komischen Situationen, und wenn sie einmal loslegen, geben die Redenden keine Ruhe mehr. Sie wollen ihre Zuhörer mundtot machen, werfen ihnen tumbe Ignoranz vor und haben doch vor nichts mehr Angst, als selbst blind und taub zu sein. Dabei wirken diese Figuren, die nur in indirekter Rede und fast immer in der dritten Person sprechen, ganz und gar verloren, als hätten sie kein eigenes Leben und kein noch so bescheidenes soziales Netz. Man spürt die Theaterautorin Kathrin Röggla in den sämtlich bühnentauglichen Szenen und Schein-Dialogen, und wie in Dea Lohers Stück „Diebe“ drängeln und lügen ihre Redekünstler sich in fremde Leben hinein. Sie sind Despoten und Besserwisser; wer von ihnen Erklärungen oder gar Trost erwartet, ist verloren. Die schönste und traurigste Geschichte verschlingt ganz buchstäblich ihre Erzählerin – eine Variante, die sich Bernhards Bühnennörgler nicht hätten träumen lassen: Eine junge Journalistin, die dem Wanderzirkus der Friedensaktivisten hinterherreist, um von den Misserfolgen und Peinlichkeiten ihrer Einsätze zu berichten, löst sich zwischen menschlichen und politischen Anmaßungen auf und wird zum „recherchegespenst“, „das einfach so verlorengegangen (sei) mitten am flughafen von taschkent (...) inmitten der vip-lounge für die businessmen and -women dieser welt“.
Kathrin Röggla ist unübersehbar eine hochmoralische, politische Schriftstellerin, und nach ihrem sarkastischen Berlin-Lagebericht „Irres Wetter“, der statt Glamour eine prekäre Sozialstruktur entdeckt, und dem tieftraurigen McKinsey-Albtraum „wir schlafen nicht“, der alles Privatleben abschafft, prägen die Anschläge vom 11. September 2001 ihre neuen Prosatexte. Die Autorin hat die Katastrophe in New York unmittelbar miterlebt und versucht, in ihrem Tagebuch „really ground zero“ die rhetorischen und audiovisuellen Gesten des amerikanischen Fernsehens kühl zu betrachten – was fast unmöglich ist, weil sie, wie ihre Verfasserin selbst eingesteht, „ständig ins hysterische oder ins chauvinistische, paranoide“ umkippen. Für die Medien ist es letztlich unwichtig, was tatsächlich geschehen ist, deshalb spielen diese Geschichten jenseits der Katastrophe. Wirklich ist nur die Verstörung und Ratlosigkeit der Personen. Es ist ein poetisches und absurdes Kammerspiel, das hier geboten wird, in dem sich die Frage nach richtigem oder falschem Leben gar nicht mehr stellt angesichts der vielen apokalyptischen Bilder, die in unserem Gehirn gespeichert sind.
Nur in einer Geschichte („die wilde jagd“) gibt sich ein reales Ich zu erkennen, ein Entführungsopfer, das aber bezeichnenderweise schweigt. Die Journalisten und Nachbarn werden immer zudringlicher, beschimpfen das Mädchen als aggressiv und behaupten, es terrorisiere die Medien oder wolle gar Amok laufen. Böse und gewitzt spielen sie sich die Bälle zu, erfinden, was ihnen angeblich verschwiegen wird, und bringen mit ihrem Gerede Ungeheuerliches zum Vorschein: Die Zuschauer, nicht die Betroffene, definieren, wo Gewalt anfängt und wann sie aufhört – und sie bestehen auf ihrer Deutungsmacht. Ein traumatisierter Mensch wie Natascha Kampusch (auf deren Fall die Geschichte offensichtlich beruht) hat gegen die Wucht dieser Missachtung keine Chance.
Bis auf „die ansprechbare“, deren Erzählerin unglaubwürdig aufgedreht wirkt, funktionieren diese Erregungsmaschinchen großartig. Denn sie bestehen nicht nur aus Verdächtigungen und kruden Projektionen, sondern auch aus einer fast kindlichen Sehnsucht nach Gewissheit. „hat man jetzt überlebt?“ will eine ratlose Radiohörerin in der letzten Geschichte „deutschlandfunk“ wissen, und als niemand antwortet, fügt sie vorsichtig hinzu: „aber wir lassen uns die freude nicht kaputtmachen, die freude, dass es uns noch gibt.“ (Faz.net)


Kathrin Röggla
Die Alarmbereiten
Fischer, 2010, 978-3100660619