Direkt zum Inhalt

Warenkorb

  • Vito Campanelli

    Web Aesthetics. How Digital Media Affect Culture and…

  • Danielle Pario Perra

    Low Cost Design

  • Alice Foxley

    Distance and Engagement

  • Marnie Fogg

    Fashion Illustration, 1930 to 1970. From Harper's…

  • Markus Miessen

    The Nightmare of Participation

  • Zbynek Baladran, Vit Havranek (Hg.)

    Atlas of Transformation

  • Mike Jay

    High Society. Mind Altering Drugs in History and Culture

  • S. Gaensheimer, S. von Olfers (Hg.)

    Not in Fashion. Photography and Fashion in the 90s

  • Francis Alys

    A Story of Deception

  • Dominique Ghiggi

    Baumschule. Kultivierung des Stadtdschungels

  • Susan S. Fainstein

    The Just City

  • Teal Triggs

    Fanzines

  • Jan Verwoert

    Tell Me What You Want, What You Really, Really Want

  • Boris Groys

    History Becomes Form. Moscow Conceptualism

  • Brian Kuan Wood (Hg.)

    Selected Maria Lind Writing

  • Artspeak / Fillip Editions

    Judgment and Contemporary Art Criticism

  • Otto Neurath

    From Hieroglyphics to Isotype. A Visual Autobiography

  • Elisabeth Blum

    Atmosphäre. Hypothesen zum Prozess der räumlichen…

  • dérive 40/41

    Understanding Stadtforschung

  • James Nice

    Shadowplayers. The Rise and Fall of Factory Records

  • Giorgio Agamben

    Nacktheiten

  • Florian A. Schmidt, Peter Lasch,…

    Kritische Masse. Von Profis und Amateuren im Design

  • TwoPoints.Net (Hg.)

    Left, Right, Up, Down. Neue Ansätze für die Gestaltung von…

  • Tony Conrad, Jutta Koether, John Miller

    XXX Macarena LP

  • Paul Le Blanc, Helen C. Scott (Hg.)

    Socialism or Barbarism? The Selected Writings of Rosa…

  • Lyle Owerko

    The Boom Box Project. The Machines, the Music...

  • Enn Ots

    Decoding Theoryspeak. An Illustrated Guide to Architectural…

  • Veit Erlmann

    Reason and Resonance. A History of Modern Aurality

  • S. Ehmann, R. Klanten (Hg.)

    Turning Pages. Editorial Design for Print Media

  • Jens Müller, Karen Weiland (Hg.)

    Kieler Woche. Geschichte eines Designwettbewerbs

  • Martino Stierli

    Las Vegas im Rückspiegel. Die Stadt in Theorie, Fotografie…

  • Andres Lepik

    Small Scale, Big Change

  • Benedict Boucsein

    Graue Architektur. Nachkriegsarchitektur

  • Harald Bodenschatz, Thomas Flierl (Hg.)

    Berlin plant. Plädoyer für ein Planwerk Innenstadt Berlin 2…

  • T.J. Demos

    Dara Birnbaum. Technology/Transformation: Wonder Woman

  • C. S. Rabinowitz, N. Kovacs (Hg.)

    Assume Vivid Astro Focus

  • Michael Merrill

    Louis Kahn. On the Thoughtful Making of Spaces

  • Bettina Götz (Hg.)

    Abstract City #04. Urbanes Hausen

  • Rainald Goetz

    Elfter September. 2010

  • Jenelle Porter (Hg.)

    Dance with Camera

  • Todd Oldham

    Joan Jett

  • Umool Umool Vol.9

    The Rejected, the Recycled, the Regenerated

  • Margit Mayer

    Civic City Cahier 1. Social Movements in the (Post-)…

  • Anne Ring Petersen (Hg.)

    Contemporary Painting in Context

  • M. van Hal, S. Ovstebo, E. Filipovic (…

    The Biennial Reader

  • Laura Meseguer

    Typomag. Typography in Magazines

  • R. Klanten, A. Mollard (Hg.)

    Los Logos. Compass

  • Carsten Nicolai

    Moiré Index

  • Pierre Guyotat

    Coma

  • Sara De Bondt, Fraser Muggeridge (Hg.)

    The Master Builder. Talking with Ken Briggs

  • K. T. Edelmann, G. Terstiege (Hg.)

    Gestaltung denken. Ein Reader für Designer und Architekten

  • Axel Sowa, Susanne Schindler (Hg.)

    Candide. Journal for Architectural Knowledge Heft 2

  • Giacomo Leopardi

    Dialogue between Fashion and Death

  • Sakamoto, Hwang, Ferré (Hg.)

    Total Housing. Alternatives to Urban Sprawl

  • Antony Hudek, Athanasios Velios (Hg.)

    The Portable John Latham

  • Nina Möntmann (Hg.)

    New Communities

  • Beyond 3

    Trends and Fads

  • Igor Marjanovic, Katerina Rüedi Ray

    Marina City. Bertrand Goldberg's Urban Vision

  • Ingo Niermann

    Solution 186–195. Dubai Democracy

  • Pedro Paiva, Joao Maria Gusmao

    On the Movement of the Fried Egg and Other Astronomical…

  • Harald Bodenschatz

    Städtebau in Berlin. Schreckbild und Vorbild für Europa

  • Andrew Lewthwaite (Hg.)

    Dead on Arrival

  • Théo Lessour

    Berlin Sampler. Le son de Berlin de 1904 à 2009

  • Jeremy Millar (Hg.)

    Every Day is a Good Day. The Visual Art of John Cage

  • Deutsche Bauzeitung

    Wohnlabor Berlin

  • ANBB (Alva Noto & Blixa Bargeld)

    Ret Marut Handshake (Vinyl)

  • Georges Didi-Huberman

    Formlose Ähnlichkeiten oder die Fröhliche Wissenschaft des…

  • Matthew Beaumont, Gregory Dart (Hg.)

    Restless Cities

  • Denis Wood

    Rethinking the Power of Maps

  • Koen Brams, Dirk Pültau

    The Clandestine in the Work of Jef Cornelis

  • Bless

    Retroperspective Home N° 30 – N° 41

  • Reinhold Martin

    Utopia's Ghost. Architecture and Postmodernism, Again

  • Architecture Words 5

    Max Bill: Form, Function, Beauty = Gestalt.

  • D. Diederichsen, C. Ruhm (Hg.)

    Utopia of Sound. Immediacy and Non-Simultaneity

  • Michael Schmidt

    89/90

  • Slavoj Zizek

    Living in the End Times

  • Mary Jane Jacob, Michelle Grabner (Hg.)

    The Studio Reader. On the Space of Artists

  • IDEA Magazine

    IDEA 341. Dialogues with Tatsuya Ariyama

  • Unit

    Design/Research 02

  • Ryoko Aoki

    Chain Ring

  • Julie Ault (Hg.)

    Show and Tell. A Chronicle of Group Material

  • Duy Nguyen

    Über Origami

  • Gustavus Stadler

    The Politics of Recorded Sound (Social Text)

  • Work AC

    49 Cities

  • Tiqqun

    Introduction to Civil War (Semiotexte)

  • Wear. Number Two

    The Journal of HomeShop

  • Tirdad Zolghadr

    Solution 168-185. America

  • Yoshiharu Tsukamoto, Momoyo Kaijima

    The Architectures of Atelier Bow-Wow. Behaviorology

  • Tara Rodgers

    Pink Noises. Women on Electronic Music and Sound

  • Frederique Bergholtz, Iberia Perez (Hg.)

    (Mis)reading Masquerades

  • Stephen Graham

    Cities under Siege. The New Military Urbanism

  • Brandon LaBelle

    Acoustic Territories. Sound Culture and Everyday Life.…

  • Helmut Höge

    Pollerforschung

  • Sara De Bondt, Fraser Muggeridg

    The Form of the Book Book

  • Antoni Folkers

    Modern Architecture in Africa

  • Paul O'Neill, Mick Wilson (Hg.)

    Curating and the Educational Turn

  • Judy Pray

    Garden Wisdom and Know-How

  • Kathrin Röggla

    Die Alarmbereiten

Die Alarmbereiten

Sind wir die Helden in einem Katastrophenfilm? In sieben Prosastücken erzählt Kathrin Röggla von der Bedrohung und der Magie einer Welt in Alarmbereitschaft.
Brennende Wälder, fliehende Tiere, Panikeinkäufe. Experten, Schaulustige und Beteiligte stieren auf die Katastrophe. Und fragen sich: "hat man jetzt überlebt?". Entwarnung wird nicht gegeben. Eine Welt im Ausnahmezustand: Finanzkrise, Klimakatastrophe, Entführungsfälle- das Leben wird zum Worst-Case-Szenario. Und dadurch dramatisch. Eine gespenstische Hetzjagd. Oder sind diese Panikszenen eine große Fiktion? Kennen wir diese bedrohlichen Sicherheitslücken, spektakulären Rettungsaktionen und exklusiven Berichterstattungen nicht aus den Filmen des Hollywood-Kinos? Sind wir die Helden in einem Katastrophenfilm? Kathrin Röggla spielt diese Katastrophen-Szenen durch und entlarvt ihre Dramaturgie. In acht Prosastücken erzählt sie von der Bedrohung und der Magie einer Welt in Alarmbereitschaft. Schlau und gewitzt führt sie uns die trügerischen und verführerischen Geschichten unserer panischen Gegenwart vor Augen.
Mehr Magie war nie
Thomas Bernhard im Ohr, Empörung im Herzen: In ihrem neuen Erzählungsband erweist sich die österreichische Schriftstellerin Kathrin Röggla als hochmoralische und politische Autorin. Von Nicole Henneberg
Im Internet, dieser Mischung aus gigantischer Müllhalde und allwissendem Archiv, findet sich eine schöne Geschichte zu der alten Volkssage: Wer neugierig den Kopf aus dem Fenster streckt, wenn der wild johlende Gespensterzug vorbeistürmt, dessen Schädel schwillt von dem Getöse an und steckt fest – das ist das Lebensgefühl der melancholischen, ratlosen Figuren in Kathrin Rögglas neuem Erzählungsband „die alarmbereiten“. Sie zerlegt das unaufhörliche Krisen- und Katastrophengerede der Zeitungen, Fernsehkommentare und Talkshows in seine unschuldig wirkenden Einzelteile und fügt sie mit bösem Witz zu einer neuen, künstlichen Sprache zusammen.
So temperamentvolle, wütend reflektierende Monologe, die sich lustvoll und hemmungslos auf die gegenwärtige Sprache einlassen, hat man lange nicht gelesen, vielleicht gar seit Thomas Bernhard und der „Wiener Gruppe“ nicht, mit deren Texten die Österreicherin Kathrin Röggla aufgewachsen ist. Ihre Sätze umschwirren den jeweiligen Gegenstand und schrauben sich, in Wiederholungen, Einschüben und Steigerungen, immer tiefer in die Geschichten von Bankern, Journalisten und Krisenmanagern hinein. Wie Bernhard ist Kathrin Röggla eine Übertreibungskünstlerin, die durch listige Entstellung und feine Akzentverschiebungen die Wirklichkeit erst kenntlich macht: Die Fehler im System werden sichtbar und die kleinen, schmutzigen Geheimnisse, die das Ganze im Inneren zusammenhalten. Denn seine stärkste politische Wirkung entfaltet das anonyme Gemurmel, das uns täglich umgibt, auf der Gefühlsebene, zu der Film- und Fernsehbilder das optische Raster liefern: Auch davon handeln diese Geschichten. „uns umgibt mehr magie als im mittelalter“, schimpft die Erzählerin, denn unser Erfahrungshorizont sei zusammengeschrumpft, „sozusagen auf einen punkt zusammengeschrumpft, der längst verlorengegangen sei im übergroßen horizont der medien“.
Die Geschichten handeln von tragischen und komischen Situationen, und wenn sie einmal loslegen, geben die Redenden keine Ruhe mehr. Sie wollen ihre Zuhörer mundtot machen, werfen ihnen tumbe Ignoranz vor und haben doch vor nichts mehr Angst, als selbst blind und taub zu sein. Dabei wirken diese Figuren, die nur in indirekter Rede und fast immer in der dritten Person sprechen, ganz und gar verloren, als hätten sie kein eigenes Leben und kein noch so bescheidenes soziales Netz. Man spürt die Theaterautorin Kathrin Röggla in den sämtlich bühnentauglichen Szenen und Schein-Dialogen, und wie in Dea Lohers Stück „Diebe“ drängeln und lügen ihre Redekünstler sich in fremde Leben hinein. Sie sind Despoten und Besserwisser; wer von ihnen Erklärungen oder gar Trost erwartet, ist verloren. Die schönste und traurigste Geschichte verschlingt ganz buchstäblich ihre Erzählerin – eine Variante, die sich Bernhards Bühnennörgler nicht hätten träumen lassen: Eine junge Journalistin, die dem Wanderzirkus der Friedensaktivisten hinterherreist, um von den Misserfolgen und Peinlichkeiten ihrer Einsätze zu berichten, löst sich zwischen menschlichen und politischen Anmaßungen auf und wird zum „recherchegespenst“, „das einfach so verlorengegangen (sei) mitten am flughafen von taschkent (...) inmitten der vip-lounge für die businessmen and -women dieser welt“.
Kathrin Röggla ist unübersehbar eine hochmoralische, politische Schriftstellerin, und nach ihrem sarkastischen Berlin-Lagebericht „Irres Wetter“, der statt Glamour eine prekäre Sozialstruktur entdeckt, und dem tieftraurigen McKinsey-Albtraum „wir schlafen nicht“, der alles Privatleben abschafft, prägen die Anschläge vom 11. September 2001 ihre neuen Prosatexte. Die Autorin hat die Katastrophe in New York unmittelbar miterlebt und versucht, in ihrem Tagebuch „really ground zero“ die rhetorischen und audiovisuellen Gesten des amerikanischen Fernsehens kühl zu betrachten – was fast unmöglich ist, weil sie, wie ihre Verfasserin selbst eingesteht, „ständig ins hysterische oder ins chauvinistische, paranoide“ umkippen. Für die Medien ist es letztlich unwichtig, was tatsächlich geschehen ist, deshalb spielen diese Geschichten jenseits der Katastrophe. Wirklich ist nur die Verstörung und Ratlosigkeit der Personen. Es ist ein poetisches und absurdes Kammerspiel, das hier geboten wird, in dem sich die Frage nach richtigem oder falschem Leben gar nicht mehr stellt angesichts der vielen apokalyptischen Bilder, die in unserem Gehirn gespeichert sind.
Nur in einer Geschichte („die wilde jagd“) gibt sich ein reales Ich zu erkennen, ein Entführungsopfer, das aber bezeichnenderweise schweigt. Die Journalisten und Nachbarn werden immer zudringlicher, beschimpfen das Mädchen als aggressiv und behaupten, es terrorisiere die Medien oder wolle gar Amok laufen. Böse und gewitzt spielen sie sich die Bälle zu, erfinden, was ihnen angeblich verschwiegen wird, und bringen mit ihrem Gerede Ungeheuerliches zum Vorschein: Die Zuschauer, nicht die Betroffene, definieren, wo Gewalt anfängt und wann sie aufhört – und sie bestehen auf ihrer Deutungsmacht. Ein traumatisierter Mensch wie Natascha Kampusch (auf deren Fall die Geschichte offensichtlich beruht) hat gegen die Wucht dieser Missachtung keine Chance.
Bis auf „die ansprechbare“, deren Erzählerin unglaubwürdig aufgedreht wirkt, funktionieren diese Erregungsmaschinchen großartig. Denn sie bestehen nicht nur aus Verdächtigungen und kruden Projektionen, sondern auch aus einer fast kindlichen Sehnsucht nach Gewissheit. „hat man jetzt überlebt?“ will eine ratlose Radiohörerin in der letzten Geschichte „deutschlandfunk“ wissen, und als niemand antwortet, fügt sie vorsichtig hinzu: „aber wir lassen uns die freude nicht kaputtmachen, die freude, dass es uns noch gibt.“ (Faz.net)


Kathrin Röggla
Die Alarmbereiten
Fischer, 2010, 978-3100660619