Aufschreibesysteme 1800 - 1900
Begibt man sich auf die Suche nach relevanten, aus dem deutschsprachigen Raum stammenden Beiträgen zur zeitgenössischen Literaturtheorie, so wird man früher oder später auf Friedrich Kittlers Habilitationsschrift "Aufschreibesysteme 1800/1900" stoßen. Dieser Text, gewiß einer der wirkungsmächtigsten Repräsentanten poststrukturalistischer oder posthermeneutischer Lektüreverfahren der letzten 15 Jahre, etablierte eine von der Diskursanalyse Foucaults und den Theoremen Jacques Lacans ausgehende medienorientierte Literaturanalyse als neues Paradigma in der akademischen Diskussion. Kittler untersucht in seiner Arbeit die als medienästhetische und -geschichtliche Umbruchsituationen gedeuteten Jahrhundertschwellen um 1800 und 1900 und konstatiert einen grundlegenden Wandel in ihren basalen Kulturpraktiken (von der Etablierung des Schriftmonopols bis zu dessen Sprengung), welche sich zum jeweiligen Aufschreibesystem addieren. Dieser den Aufzeichnungen des Nervenkranken Daniel P. Schreber entlehnte Terminus bezeichnet somit "das Netzwerk von Techniken und Institutionen [...], die einer gegebenen Kultur die Adressierung, Speicherung und Verarbeitung relevanter Daten erlauben". In seiner Analyse dieser Techniken und Institutionen stützt sich Kittler auf umfassende Materialpräsentation, insbesondere die Ausführungen zur Alphabetisierung durch den Muttermund in der Goethezeit oder zur medienästhetischen Relevanz der Psychophysik und Psychoanalyse verdienen große Aufmerksamkeit.
http://de.wikipedia.org/wiki/Aufschreibesystem