Archivologie. Exterioritäten des Wissens in Philosophie, Medien und Künsten
Das Archiv zirkuliert. Es gehört zu den Schlüsselbegriffen der Wissensgeschichte und ist in Philosophie und Kunst wie auch in Kultur- und Medientheorie gleichermaßen anzutreffen: Das Archiv wird als geläufige Metapher für kulturelles Gedächtnis, für Bibliothek und Museum sowie für jede Art der Speicherung und Überlieferung verwendet. Diese Inflation des Archivs zeigt an, dass der privilegierte Ort des Wissens heute nicht mehr die Bibliothek ist, sondern das Archiv. Vom Friedhof der Schrift hat es sich in einen schillernden Topos der zeitgenössischen Kulturproduktion verwandelt. In seinem Zeichen wurde das Wissen veräußerlicht, verzeitlicht und verräumlicht - und wird nun in sichtbaren Architekturen und Apparaturen, Medien oder Techniken aufgesucht, anstatt in Denkprozessen, Reflexionen und Mentalitäten. Solcherart liefert das Archiv die Infrastruktur einer Theorie der Geschichte, die nicht von einer Repräsentation, sondern von der Codierung des Historischen ausgeht. Der Band rekonstruiert zentrale Positionen des vielstimmigen Archivdenkens in Kunst und Wissenschaft. In den Texten von Philosophen und Kunsthistorikern, Medien- und Kulturwissenschaftlern changiert das Archiv zwischen Ort und Methode, Institution und Konzeption. In diesem Spannungsverhältnis stehen bereits die klassischen Archivtheorien von Michel Foucault, Jacques Derrida, Michel de Certeau und Paul Ricoeur, wie auch die neueren Beiträge zur Archivpraxis in Künsten und Medien von Aleida Assmann, Boris Groys, Ulrich Raulff und Wolfgang Ernst. Ferner beleuchten Einzelstudien die Geschichte von Archiven in Kunst und Wissenschaft und diskutieren die Tragweite des Archivdenkens.