Disko 27. Retrospektiv Bauen in Berlin
Die Produktion von Architekturen mit historischen Rückgriffen in Berlin ist enorm. Während mit der Wiederaufbaudebatte um das Berliner Stadtschloss der Sinn von Bildern feudaler Gesellschaftsformen öffentlich in Frage gestellt wird, entstehen zahlreiche historisierende Wohn- und Geschäftshäuser. Dass hierbei das Moment der Retrospektiven zunehmend als stadträumliche Herstellung anachronistischer Gesellschaftsordnungen verstanden wird ist dabei nicht zu übersehen.
Retrospektive Architektur als räumlich-kulturelles Phänomen, zumeist in klarer Abgrenzung zur architektonischen Moderne, durchlebt im Berlin der vergangenen fünfzig Jahre einen mitunter überraschend vielfältigen Entwicklungsprozess, der mit den jeweiligen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Interessen und Umständen untrennbar verbunden ist.
Vorgeschichte: Denkmal- und Milieuschutz gegen Großsiedlungsbau und Kahlschlag
Alte und neue Vergangenheit: 1975-1980. Vom Europäischen Denkmalschutzjahr zur Verhandlung von tradierten „Stadtbildqualitäten“ mit: SWB-, SCK- und SMW-Pilotprojekten, Friedrichstadt-Palast uvm.
Berliner Postmoderne: 1981-1989. 'Kritische' und 'komplexe' Rekonstruktion für die Internationale Bauaustellung und den 750. Stadtgeburtstag mit: Stadtvillen an der Rauchstraße, Wohnen am Tegeler Hafen, Prager Platz, Nikolaiviertel uvm.
Historischer Ausnahmezustand: 1990-2003. Über baurechtliche Besonderheiten zum 'Planwerk Innenstadt‘ mit: Hofgarten am Gendamenmarkt, Pariser Platz, Potsdamer Platz, Leipziger Platz, Hackescher Markt uvm.
Anachronistische Gesellschaftskonzepte: 2004-2017. Von der Idee des 'neuen Stadtbürgers' zum theoretischen Ende des retrospektiven Bauens mit: Townhouses am Friedrichswerder, Diplomatenpark, Fellini Residences, Kronprinzengärten uvm.