Umbaukultur. Für eine Architektur des Veränderns
(überarbeitete Neuauflage)
Umbauen, Anpassen, Wiederverwenden - diese Formen von Archi-tektur sind so alt wie die Architektur selbst. Erst mit der Industriali-sierung der Bauwirtschaft und dem Siegeszug der Moderne Anfang des 20. Jahrhunderts versank die Architektur des Umbauens für Jahrzehnte in der Bedeutungslosigkeit. Abriss und Neubau waren von nun an die erste Wahl, Erhalt und Umbau nur die zweite.Heute haben sich die Vorzeichen geändert. Das reformerische Po-tenzial der Moderne hat sich erschöpft, und die Bauindustrie ist zu einem ökologischen Problemfall geworden, weil sie mehr Ressour-cen verschlingt als jeder andere Wirtschaftszweig. Doch während unvermindert neu gebaut wird, stehen ältere Gebäude vermehrt zur Disposition, allen voran die häufig ungeliebten Bauten der Nach-kriegszeit: Warenhäusern gehen die Kunden aus, Kirchen verlieren ihre Gottesdienstbesucher und der Aufstieg des Homeoffice lässt Büroimmobilien verwaisen. Oft sind es nur einzelne Gebäude, manchmal aber auch ganze Stadtgebiete, die eine neue Zukunft brauchen. Mal sind es Wohngebiete in strukturschwacher Lage, in denen sich die Leerstände häufen, mal sind es die vom Online-Han-del und der Corona-Krise gebeutelten Innenstädte.Unser baulicher Bestand ist inzwischen zu einer gigantischen La-gerstätte herangewachsen, die riesige Mengen an Rohstoffen, aber auch an Erinnerungen, Atmosphären und Spuren der Vergangenheit bindet. Es sind steingewordene Zeugnisse einer gemeinsamen Geschichte, die für eine nachhaltige Entwicklung unserer Städte ebenso bedeutsam sind wie die in den Bauwerken gebundenen Rohstoffe.Diese Ressourcen zu nutzen ist nicht nur ein Gebot der Vernunft, sondern birgt auch ungeahnte architektonische Potenziale, wie immer mehr zeitgenössische Umbauprojekte beweisen. Ihre Archi-tektinnen und Architekten gehen selbstbewusst und experimen-tierfreudig mit dem Vorgefundenen um und liefern überraschende Antworten auf die Fragen unserer Zeit. Für die Architektur des 21. Jahrhunderts bedeutet der Umbau nichts weniger als einen Para-digmenwechsel.
(überarbeitete Neuauflage)