Spiritus
Die Honey-Suckle Company wollte eine Jugendbewegung werden. Die legendäre Gruppe gründete sich 1994 in Berlin und bewegte sich im subkulturellen Milieu der Nachwende-Jahre, deren Szene und Nachtleben sie mit ihren Projekten und Interventionen in den öffentlichen Raum von Berlin Mitte beeinflusste. Zunächst fernab des Kunstbetriebes organisierte HSC an Orten wie dem Friseur oder dem Suicide Club Happenings und Ausstellungen, und gab Konzerte mit ihrer Band Batterie ON/OFF. Ein wichtiger Ort wurde die galerie berlintokyo (1996-99) am Hackeschen Markt, über der sich auch ihr Atelier befand. 1998 wurde die Company dann von Klaus Biesenbach und Hans-Ulrich Obrist zur 1. Berlin Biennale eingeladen.
Der Name Honey-Suckle stand von Beginn an konzeptionell für die Vorgehensweise der Gruppe und bezog sich auf eine von 38 Essenzen der Bachblütentherapie. Honey-Suckle, das Geissblatt, hilft aus der Vergangenheit zu lernen und sich mit Blick in die Zukunft in der Gegenwart einzusetzen. So arbeitete HSC wie ein „Avantgarde-Produktionsteam“ in aufeinander aufbauenden Projekten mit Versatzstücken des Bauhaus, der Russischen Avantgarde, oder spirituellen Gemeinschaften wie der Lebensreform. Dabei lösten sich die individuellen Beiträge der einzelnen Mitglieder, die in je einem künstlerischen Feld spezialisiert waren, zu Gunsten der kollektiven Autorenschaft auf.
Es folgten Ausstellungen und raumübergreifende Installationen im PS1 New York (Children of Berlin, 1999), dem Künstlerhaus Stuttgart (Eswerde, 2003), der Cubitt Gallery London (OHN END, 2005) und der Kunsthalle Basel (NON EST HIC, 2006). Die ästhetischen Elemente und assoziativen Installationen wurden dabei zunehmend reduzierter und mündeten 2007 in ihre bislang letzte Ausstellung Materia Prima im Kunstverein Harburger Bahnhof, wo sich die Gruppe sprichwörtlich in Duft auflöste: Jedes Mitglied war nur noch als eine Duftessenz erlebbar.
Jetzt erscheint erstmals eine retrospektive Monographie, die eine intensive Übersicht über das künstlerische und interdisziplinäre Schaffen der Honey-Suckle Company der vergangenen 20 Jahre gibt – mit Dokumentationen, zahlreichen fotografischen Inszenierungen und umfangreichem Material aus dem Archiv der Künstler, sowie Texten von Abel Auer, Philipp Ekardt, Lina Launhardt, Reimo Herfort/Franz Schütte (Jeans Team), Michael Hiltbrunner, Tim Voss und Lily Wittenburg.
Das Werk der Honey-Suckle Company entstand vor dem Hintergrund der sich anbahnenden Transformation und Gentrifizierung der Mitte von Berlin, wodurch das gesammelte Material an Fotografien und Originaltexten eine seltenes Zeitdokument einer verdrängte Zeit ist.
Texte von/texts by Abel Auer, Philipp Ekardt, Lina Launhardt, Reimo Herfort/Franz Schütte (Jeans Team), Michael Hiltbrunner, Tim Voss, Lily Wittenburg, (Tobias Rapp), Elke aus dem Moore, (Janna Sittnick), Adam Szymczyk
Gestaltung/design Hendrik Schwantes