Lefebvre in Neu-Belgrad.
Autogestion / Selbstverwaltung & das Recht auf Stadt
metroZones.SALOON 3
mit Klaus Ronneberger (Stadtkritiker, Frankfurt/M) und Kommentaren von Helmut Weber (Künstler, Wien), Manuela Bojadžijev (Ultra-Red, Berlin), Jochen Becker (mZ, Berlin)
1986 nahm der französiche Stadt-Theoretiker Henri Lefebvre gemeinsam mit den Architekten Serge Renaudie und Pierre Guilbaud an einem internationalen Wettbewerb zur Neudefinition urbaner Strukturen in Neu-Belgrad teil. Ihre städtebaulichen Vision für die 1948 gegründete Hauptstadt der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien betont die Prozesse und Potentiale der Selbstorganisation, um gescheiterten Konzepten der von oben verordneten Stadtplanung entgegen zu wirken. Für Lefebvre hatten zu diesem Zeitpunkt sowohl die Versprechen der kapitalistischen wie auch der staatssozialistische Moderne versagt. In Bezug auf die “Revolution der Städte” nahm das blockfreie Jugoslawien jedoch eine besondere Stellung ein.
Mit zwei aktuellen Publikationen ‘Autogestion, or Henri Lefebvre in New Belgrade’ sowie ‘Right, to the City’ erkunden die KünstlerInnen Sabine Bitter und Helmut Weber (Vancouver/Wien) zentrale Theoreme von Lefebvre, nämlich "autogestion" und das "Recht auf Stadt". Eine Veränderung des alltäglichen Lebens müsse laut Lefebvre durch den Eingriff aller Betroffenen geschehen und nicht nach den Normen der Repräsentativ-Demokratie. „Auf dieser Ebene hat die Assoziation der Interessen und der Interessierten ihren Namen. Sie heißt Selbstverwaltung“ (Lefebvre 1967). Für ihn umfasst der Begriff der Produktion auch die Produktion der gesellschaftlich-sozialen Beziehungen und „im weitesten Sinne, die Reproduktion“ (Lefebvre 1968).
Der Frankfurter Stadtsoziologe und kritische Urbanist Klaus Ronneberger kontextualisiert in seinem Buchbeitrag Lefebvres Theorie einerseits historisch (Jugoslawiens dritter Weg, Praxis-Gruppe, Situationisten und 1968 in Paris, Neue Linke, Euro-Kommunismus) und verlängert dies hin zu aktuellen Debatten. Denn wie weit ist das Konzept der (Arbeiter-)Selbstverwaltung in Zeiten neoliberalem Selbst-Management oder gewerkschaftlicher Forderungen nach Aktienanteilen an ‚ihren’ Unternehmen als Gegenleistung für Lohnverzicht noch tragfähig? An wen adressiert sich die Forderung eines Rechts auf Stadt in Zeiten autoritärer Staaten? Und ist der jugoslawische Selbstverwaltungssozialismus bis heute in Belgrads umkämpften Räumen virulent?