Direkt zum Inhalt

Warenkorb

Das Netz / Mythos Netz

Unabomber Kommunikation und Raum

Buchpräsentation und Interviewausschnitte mit Rainer Fischbach und Lutz Dammbeck
Donnerstag, 3. November 2005

Der Film "Das Netz" von Lutz Dammbeck spürt einem "Netz" von Personen nach - es treten u.a. auf: Stuart Brand, Robert Taylor, David Gelernter, John Brokmann und Heinz von Foerster -, die sich überwiegend mit demselben Projekt zu identifizieren scheinen: dem der Umgestaltung des Lebens mittels einer pervasiven Technik, die keinen Bereich auslässt. "Das Netz" im Sinne von Internet, persönlichen Computern, Künstlicher Intelligenz, bewusstseinsverändernden Drogen, psychologischen Tests und Verhaltenstherapie erscheint als eine "Soft Power", die auf die totale Kontrolle des Lebens zielt. Die Konzepte der sozialpsychologischen Kontrolle, die Wissenschaftler und Geheimdienstler nach dem Zweiten Weltkrieg diskutierten, verbindet viel sowohl mit der drogenseeligen Hippiekultur der 1960er als auch mit den damals revolutionär erscheinenden Ideen des persönlichen Computers. Als Kontrastfolie für die Interviews mit den Repräsentanten der kulturellen und wissenschaftlichen Elite, die jenes "Netz" bilden, fungiert der Briefwechsel mit dem ehemaligen Mathematikprofessor Ted Kaczynski, den die Welt vor allem als "Unabomber" kennt, und der etlichen Mitgliedern dieses "Netzes" angeblich Sprengstoffpakete schickte. Kaczynski stritt stets ab, der von FBI und Medien auf den Namen „Unabomber“ getaufte Attentäter gewesen zu sein, doch an seiner Gegnerschaft zum Projekt der technologischen Kontrolle lässt er keinen Zweifel. Er vertrat die Position, dass die Tendenz zur umfassenden Kontrolle des Lebens der modernen Technik inhärent sei und die Erhaltung der Freiheit ihre Zerstörung verlange.
Rainer Fischbachs Buch macht im "Mythos Netz" hauptsächlich vier Komponenten aus: das Versprechen der Überwindung des Raumes, das eines Universalschlüssels zur Welt und zur zukünftigen Gesellschaft, das einer entmaterialisierten, rein auf Wissen gebauten Ökonomie, in der Netz und Markt verschmelzen, und schließlich das der Auflösung der städtischen Agglomerationen mit ihren immer unlösbarer erscheinenden Problemen. Diesen Verspechen stellt es die grundlegende These gegenüber, dass netzförmige Infrastrukturen des Verkehrs und der Telekommunikation, die ja immer im Raum zu realisierende Artefakte sind, diesen niemals aufzuheben, sondern höchstens neu zu konfigurieren vermögen, weil sich ihre raumverkürzende Kraft niemals homogen auf den ganzen Raum erstreckt: Sie definieren jeweils neu, was nah und was fern ist, ohne diesen Gegensatz aufheben zu können. Fischbach zeigt zudem auf, dass die moderne Telekommunikation sogar eine besondere Ökonomie der Dichte aufweist, die unter dem Zwang der Kapitalverwertung eine verschärfte Form annimmt und zusammen mit anderen Kräften mit für das ungebrochene Wachstum der Agglomerationen verantwortlich ist. Hierbei wird auch deutlich, wie die reale Funktion der Infrastruktur Internet und die ideologische des "Mythos Netz" ineinander übergehen und Momente jener "Soft Power" bilden, von der Dammbecks Film handelt. Doch während die Ideologie eine schrankenlose, vereinheitlichte Weltgesellschaft fantasiert, schreiten die realen Gesellschaften zu vertiefter Polarisierung, zu verschärftem Ausschluss und zur Errichtung neuer Barrieren.
Rainer Fischbach: Mythos Netz: Kommunikation jenseits von Raum und Zeit. Zürich: Rotpunktverlag, 2005, ISBN 3-85869-301-4
http://www.rotpunktverlag.ch / http://www.rainer-fischbach.de
Lutz Dammbeck: Das Netz - die Konstruktion des Unabombers. Hamburg: Edition Nautilus, 2005, ISBN 3-89401-453-9
http://www.t-h-e-n-e-t.com / http://www.expolar.de/kybernetik/