Der Streitwert der Denkmale. Berliner Texte
Berlin 1989/90. Mit der Wiedervereinigung Berlins stand die Denkmalpflege urplötzlich vor großen, nie gekannten Herausforderungen. Die Stadt sollte wieder zusammenwachsen, ihre Teilung städtebaulich und gesellschaftlich überwunden werden. Planen, Bauen und damit auch die Denkmalpflege bekamen über Nacht eine neue politische Brisanz.
Dolff-Bonekämper Streitwert der Denkmale
Unglaublich viel wurde geplant, insbesondere für die zentralen Orte der Stadt. Die Denkmalpflege musste daher ungewohnt rasch Werte definieren, bestehende Unterschutzstellungen (im Osten der Stadt) verifizieren, neue Denkmale ausweisen. Eine verzwickte Aufgabe, denn beide Stadthälften hatten ihren politischen Referenzrahmen verloren. Dieser war zuvor Ideengeber und Legitimation für Neubauvorhaben, Denkmalsetzungen und Denkmalausweisungen sowie für deren Gegenteil – Abriss, Denkmalumsetzungen und Denkmalentfernungen. Wie nun mit den Fakten umgehen, die das geteilte Berlin hinterlassen hat? Wie Gebäude bewerten, ohne einen zeitlichen Abstand zu ihnen und den historischen Konstellationen ihrer Entstehung zu haben? Und ohne dabei auf einen gesellschaftlich erarbeiteten Wertekonsens zurückgreifen zu können? Viele Entscheidungen der Denkmalpflege wurden entsprechend heiß diskutiert.
Mittendrin in diesen öffentlichen Debatten, die teilweise bis heute nicht gelöst sind, stand damals – und steht auch noch heute! – die Denkmalpflegerin und Professorin Gabi Dolff-Bonekämper. Die Autorin veröffentlichte ihre Texte zu den Berliner Debatten in internationalen und nationalen Medien. Ihre scharfsinnigen Argumentationen und überraschenden Gedanken zum Palast der Republik, dem Berliner Schloss, dem Kulturforum oder der Neuen Wache sowie zu den großen theoretischen Fragen der Denkmalpflege, zu Authentizität, Wertsetzungen und -bestimmungen, sozialen Werten oder unbequemen Denkmalen reichen weit über Berlin hinaus. Dabei brachte Gabi Dolff-Bonekämper zudem ein eigenes, weit rezipiertes Analysetool in die Denkmalwelt ein: den Streitwert der Denkmale. Und wo könnte dieser sich besser manifestieren, als im Berlin der Nachwendejahre?