Ariane Müller. Handbuch für die Reise durch Afrika
Lesung
In Nairobi liegt eines der vier Hauptquartiere der Vereinten Nationen, das einzige in Afrika und in einem Entwicklungsland. Nairobi ist deshalb eine Anlaufstelle für jene modernen globalisierten Reisenden, die, ohne viel Kontakt mit den Orten zu suchen, an denen sie sich gerade befinden, ihre Konferenzen abhalten, ihre Geschäfte verhandeln oder die Interessen ihrer Auftraggeber vertreten.
Gleichzeitig ist Nairobi eine reale Stadt. Eine Stadt, die aus europäischer Perspektive oft sehr unverständlich ist in ihrem Nebeneinander aus Armut und Reichtum, desillusionierter Bevölkerung und internationalen Touristen.
Die Erzählerin im Handbuch für die Reise durch Afrika bewegt sich in beiden Welten. Der abgeschlossenen Welt internationaler Verhandlungen mit ihren Hotels, Clubs, Botschafterempfängen und Zeitfenstern zwischen zwei Transkontinentalflügen, und der Realität ihrer Bewohner, inmitten von US-amerikanischen Fernsehserien und von NGOs gesponserten Aids-Plakaten und bestimmt von den Überraschungen der lokalen Politik und von traditionellen Vorstellungen .
Aber es gibt noch viel mehr Leute, die sich hier aufhalten: Abenteurer und Projektemacher, Hilfskräfte der internationalen Zusammenarbeit, Nachkommen des kolonialen Kenias und Menschen auf der Suche nach dem Exotischen, nach Drogen oder nach Sex. Diese Menschen begegnen einander. Sie begegnen einander schneller und leichter in Afrika, wo ihre Fremdheit sie jederzeit erkennbar macht. Sie erzeugen wiederum Wünsche und Vorstellungen in denen, die dort wohnen. Reisen zu können oder reisen zu müssen bestimmt alle, aber aus sehr unterschiedlicher Perspektive.
Ariane Müller hat im Rahmen ihrer Tätigkeit bei den Vereinten Nationen in den letzten fünfzehn Jahren immer wieder in Kenia gearbeitet und gelebt. Ihre eigenen Erlebnisse bestimmen den Rahmen einer Erzählung, in der es dennoch vor allem darum geht, die verschiedenen Protagonisten selbst sprechen und handeln zu lassen. Das Handbuch für die Reise durch Afrika ist nach einem Reiseführer strukturiert. Es entstand als Gegenentwurf zu den Beschreibungen exotischer, sexualisierter oder dunkler Welten, wie sie in den Buchhandlungen der internationalen Flughäfen über Afrika verkauft werden.